Reisegefährte

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„Ich bin ein Egoist, ich weiß“. Tröstend drückst du meinen Arm. Er fühlt sich kalt an und will sich gegen die Berührung sträuben, so, wie sich mein Inneres gegen das eben Gesagte empört. Nicht, weil du nicht vollkommen recht hast. Nur, weil ich es nicht hören will und es mir nicht gefällt. „Nein.“ Ich lehne mich kurz gegen dich. „Das ist kein Egoismus. Es ist nichts anderes als Selbstbestimmung.“ „Selbstschutz ist es,“ sagst du leise. „Ich gehe sonst kaputt“.
Immer bist du dagewesen, offenes Ohr und starke Schulter; immer fröhlich, stets zur Stelle … Doch deine eigene Schlacht hast du allein geschlagen, hast dich lange rar gemacht … Und die Traurigkeit in deinen Augen und die Endgültigkeit in deinem Blick berühren meine eigene Zerrissenheit so tief, dass es schmerzt.
Du hast gekämpft, hast dich bemüht, bist gescheitert, bist ernüchtert … Willst nur noch weg, nochmal neu anfangen. „Seelenfrieden“ … Du seufzt tief. Und dafür muss man schon mal auch die zurücklassen, die man entlang des Weges liebgewonnen hat.
Reisende soll man nicht aufhalten, so heißt es, doch das Loch, das dieser Abschied reißt, ist in meinem Inneren kratergleich. Du warst mir so ähnlich, Reisegefährte und Freund … Und habe ich es auch vielleicht längst kommen sehen, hätte ich auch längst schon meines eigenen Weges gehen können … NICHTS hätte ich missen wollen. Nicht dein ausgelassenes Lachen, die stets so aufmunternden Worte, die vor Begeisterung blitzenden Augen, einer Leuchtreklame gleich … Nicht deine Albernheiten und auch nicht dein Blödtun. Du lässt einen im Regen stehen und nimmst auch noch ganz frech den Schirm mit, aber du breitest auch die Arme aus und bietest Schutz, wenn es wirklich stürmisch wird. Die besten Filme haben oft kein Happy End … Und doch schaut man sie in voller Länge, nicht?
„Wie fühlst du dich?“ Du siehst mir offen in die Augen. Ich halte deinen blauen Blick. „Desillusioniert“, und weiß erst einmal nicht, warum. Habe ich noch immer nicht gelernt, dass gemeinsame Reisen irgendwann zu Ende gehen, der andere irgendwann mal aussteigt, um neue Ziele zu erobern? Ich lächle dich an. „Aber hier geht es jetzt um dich und DEIN Glück …“ Und dir jetzt eine ausweglose Situation schönzureden und dich halten zu wollen, das WÄRE egoistisch.
Ich möchte meine Arme um dich schlingen, eigentlich mein ganzes Sein. Stattdessen drücke ich dich nochmal fest, „Pass auf dich auf …“
Du gehst, Du nimmst ein Stückchen meines Lebens mit, doch einen kleinen Teil deines Selbst machst du mir auch zum Geschenk. Und weil, wo du bist, „Top Gun“ niemals fehlen darf, halten wir es doch wie Maverick und Charly, ehe unsere Tür sich schließt …
„Ich hörte, dass die Besten der Besten immer wieder hierher zurückkommen“ 😊
Und bis dahin lass es dir gut gehen.

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Leber, Liebe, Lache ;-)

Wir saßen beim WeinEs gibt sie, diese kleinen, zauberhaften Augenblicke, in denen die Welt einfach für eine gewisse Zeitspanne den Atem anzuhalten scheint und die Umwelt komplett ausblendet, um all ihr Licht im schmeichelhaften Weichzeichner-Modus auf das Gegenüber und einen selbst zu richten, einen trunken zu machen vor lauter überschäumendem Gefühl – und einem Hoffnung gibt, ein Quäntchen davon festzuhalten und mitzunehmen in den Alltag, wenn das Scheinwerferlicht erlischt und einen die Magie der Stunde wieder auf die Straße ausspuckt, um weiter zu funktionieren und seinem Leben nachzugehen, nun allerdings mit einem Leuchten in den Augen und einem Lächeln im Gesicht.
Ja, die Welt hält ihren Atem an, und ich tue es auch, denn Leber ist ein Gericht, das mich schon in früher Kindheit hat aus der Küche flüchten sehen, und der scharfe Geruch der gebratenen Innerei, gepaart mit dem süßlichen Aroma von Apfel und Zwiebeln, hat mich zeitlebens davon abgehalten, auch nur ein Stückchen davon zu probieren. Aber hat damals mein Blick die genussvoll essenden Eltern mit Todesverachtung gestraft, weil der Duft der Leber mich olfaktorisch empörte, so sitze ich heute hier neben Dir und fühle mich ganz schwebend und wattig und wohlig und warm, weil Du mit so unsagbar glücklichem Blick die Tageskarte studierst und als Empfehlung das ganze gutbürgerliche Gericht entdeckst, Leber mit Zwiebeln und Apfel und Püree, und weil Du dieses Essen liebst und Dich so freust, liebe ich es auch und Dich gleich noch viel mehr, weil Du Dich so begeistern kannst aus einer vollkommen alltäglichen Situation heraus und alles an Dir so natürlich ist und echt.
Und während Du ganz andächtig das erste Stück von Deiner Leber abschneidest und es Dir mit zufriedenem Seufzen auf der Zunge zergehen lässt, täusche ich an, mit meiner Gabel Käsespätzle aufzudrehen und betrachte in Wirklichkeit nur Dich. Spüre Deine tröstliche Wärme neben mir auf unserem heimeligen Bänkchen, Dein Knie, das sich selbstverständlich an meines drückt, rieche den kalten Novembertag in Deinem wuscheligen Haar und den Wind, der uns nach einem herrlichen Spaziergang hereingeweht hat, und bin erstaunt, wie der graue Grobstrick-Pulli das funkelnde Grün Deiner Augen verändert. Da sitzt Du und lächelst und isst und erzählst, mit lebhafter Stimme und blitzendem Blick, und ich spüre ein Gefühl, so intensiv, dass es fast schmerzt, ein ungläubiges Erkennen dessen, dass ich der privilegierteste Mensch auf Erden bin, jetzt, in diesem Moment, weil ich mit Dir zusammensitze und einfach Teil Deines Lebens bin. Nicht, weil etwas Besonderes passiert, nicht, weil einer von uns beiden etwas Außerordentliches leistet, nicht, weil irgendjemand in diesem Wirtshaus Notiz von uns nimmt; nein, einfach nur, weil wir SIND in diesem Augenblick und dieses SEIN nicht unterscheidet zwischen Dir und mir, es nicht von Interesse ist, wo Du aufhörst und ich anfange, es geht nur darum zu verstehen, dass wir uns darin einhüllen können wie in eine Decke und diese Wärme lange noch nachspüren … Und die Erkenntnis, dass ich mich auch am Tag danach noch fragen werde, ob ich Dich schon jemals so unglaublich geliebt habe wie in diesem Moment 😊

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Vermissen für Fortgeschrittene

Wann immer mich eine Nachricht aus dem Urlaubsdomizil des Herzensmanns erreicht, Der Kussmöchte ich ihm so viel sagen, möchte all das in eine kurze WhatsApp-Notiz packen, was mir den ganzen Tag über so durch den Kopf gegangen ist, was mich vielleicht nachts nichts hat schlafen lassen … Und dann starre ich auf das grüne Leuchten meines Handys, meine Kehle ist wie zugeschnürt und meine Finger sind ganz starr, und alles, was ich zuwege bringe, sind ein paar flapsige Kommentare zu den Fotos, die er mir schickt, um nicht in Tränen auszubrechen und ihm das Herz nicht auch noch unnötig schwer zu machen, und dann tippe ich irgendwelche komischen Symbole ein und applaudiere einem Kaktus und weiß nicht einmal, wieso 😉

Ähnlich geht es mir gerade hier … Es gibt so viel, das ich mir von der Seele schreiben möchte und muss, aber ich bekomme es weder vorskizziert noch sonst irgendwie vernünftig geordnet, deswegen lasse ich meinen Gedanken jetzt einfach freien Lauf und vertraue darauf, dass sich mein Schwadronieren zu guter Letzt sinnvoll zusammenfügt; so, wie ich auch ganz genau weiß, dass mein liebster Seelengefährte zwischen den Zeilen meiner konfusen Nachrichten liest und versteht, was ich meine.

Obwohl ich reichlich Übung im Vermissen habe, kenne ich mich so nicht – ziellos durch die Wohnung wandernd, sein Schnuppershirt mit mir herumschleppend wie ein Kuscheldeckchen, das mir keiner wegnehmen und waschen darf; nachts bei Wein in der Küche sitzend und über alten Liebesbriefen schmachtend, schließlich doch irgendwann zum Klang seiner Stimme auf einem einst eigens für mich aufgenommenen Hörbuch einschlafend; all das begleitet vom Soundtrack scheinbar unendlicher Playlists gemeinsamer Songs, die sich im Laufe unseres Weges so angesammelt haben. Vermutlich war ich einfach zu lang allein und habe mich in diesem Alleinsein auch irgendwann ZU unerschütterlich gefühlt, dass diese kurze Trennung auf Zeit mich jetzt so aufzuwühlen vermag … Vielleicht gibt es aber tatsächlich so etwas wie ein „Vermissen für Fortgeschrittene“, denn wir hatten ja all das schon einmal, ein unbegreifliches und doch recht amüsantes Déjà vu, das mir mit einem frechen Augenzwinkern offenbart, nein, auch DU bist nicht gefeit gegen die Liebe, ganz gleich, wie nett und ruhig du dich jetzt eingerichtet haben magst in deinem Leben … Diese Ruhe hat getrogen, denn du siehst erst jetzt, was du brauchst, um überhaupt komplett zu sein.

Gäbe es für das Vermissen so etwas wie einen Europäischen Referenzrahmen, würde ich sagen, wir haben uns gerade auf das „Advanced-Level“ hochgeschwungen, definitiv ein B2+ … Und das sicher nicht im Rahmen eines Crash-Kurses, sondern verdient erarbeitet über einen Zeitraum, der sich im Rückblick anfühlt wie ein ganzes, in sich rundes Leben.

Da gibt es das Vermissen, wenn man sich gerade erst kennen gelernt hat und der auf den ersten Blick als Seelengefährte Erkannte bereits Kletterseil und Eispickel im Kofferraum spazieren fährt, um direkt nach der Begegnung zehn Tage lang schwindelnde Höhen zu erklimmen, und das selbstverständlich in einer Ära VOR Smartphone und WhatsApp … Man darbt zuhause, malt sich schreckliche Abstürze auf der Pirsch nach Almrausch und Edelweiß aus, isst nicht, schläft nicht, konzentriert sich keinen Deut und ist abwechselnd davon überzeugt, nie wieder ein Wort von ihm zu hören (weil er es sich in den Bergen wieder anders überlegt hat), respektive ihm nach seiner Rückkehr unverzüglich die ewige Treue zu schwören. Diese Sehnsucht nach dem Unbekannten, diese Ahnung von etwas, das um die nächste Ecke auf einen warten könnte, dieses Hoffen und Harren und Bangen, das ist wie ein Grundkurs im Vermissen, ein „Beginner-Level“, das Sehnen nach dem noch Unbekannten. Es wühlt einen auf, es lässt einen vor Herzeweh verzweifeln, und doch ist es von köstlicher Süße, da noch kein bitterer Tropfen das unschuldige Träumen vergiftet hat, da noch keine schnöde Realität die schönen Phantasien überholt hat und kein Zwist dieses Wunder der Liebe entmystifiziert. Noch liegt alles vor einem, das Kennenlernen, Erkunden, Herausfinden, gemeinsam Erobern, Genießen und Davonfliegen, aber auch die ersten Enttäuschungen, Kompromisse, Missverständnisse.

Wird man von diesen erst einmal auf die Probe gestellt, kommt es schnell zu einem kleinen Extra-Workshop, was das sich-Vermissen angeht – auch wir waren nicht vor dieser Lektion gefeit und hatten nach dem ersten Jahr des Zusammenseins eine Auszeit von drei Wochen, die uns recht schnell in Richtung Level „Intermediate“ katapultierte, da wir ja nun recht genau wussten, was und wen wir da gerade vermissten und vor allem, was wir da gerade aufs Spiel setzten … Ich erinnere mich an diese drei Wochen an eine entsetzliche Zeit der Kälte und Starre, in der mein Verstand sich vehement weigerte, zu akzeptieren, dass der Herzensmann vielleicht nicht länger Teil meines Lebens sein würde; an eine Zeit unvermittelter Tränenausbrüche an öffentlichen Orten und durchquatschter Nächte mit guten Freundinnen, die mir damals den Kopf über Wasser hielten und immer wieder Mut zusprachen. Ich habe selbst im Rückblick noch das Gefühl, es hätte sich hier um drei Monate gehandelt, so langsam sind diese schmerzhaften Stunden dahin gekrochen, bis wir uns dann beide endlich wieder ein Herz gefasst haben und den entscheidenden Schritt aufeinander zugegangen sind – mit dem Versprechen, es niemals wieder an diesen Punkt kommen zu lassen, ich meine, mit einem mittleren Vermissens-Niveau man ja auch schließlich zufrieden sein, nicht?

Nun, wir sind nur Menschen, und es ist uns nicht gelungen, diesen Schwur zu halten. Waren wir uns zu nah, waren wir in Wahrheit zu weit voneinander entfernt, war diese Seelenverwandtschaft zu stark, dass wir sie an diesem noch recht jungen Stadium im Leben schon hätten ertragen und TRAGEN können …? Ich weiß es nicht, nur, dass wir ein weiteres Jahr später vor den Scherben dieser Liebe standen und auseinander gingen, ohne uns noch einmal nacheinander umzudrehen. Es war kein langsames Scheiden, kein Ausschleichen, kein „oh, ich hab es kommen sehen“ … Es war ein letzter Vorhang, der fällt, ein Donnerschlag, und dann war alles dunkel. Wieder allein. Die Endgültigkeit dieses Gefühls war so immens, der Schock über den Verlust SO gewaltig, Vermissen war erstmal nicht möglich.

Er ging seiner Wege, ich ging meiner. Wir sammelten die Scherben auf und machten weiter, jeder für sich, knüpften an unser voriges Leben an, stellten uns neuen Herausforderungen, öffneten unsere Herzen einer neuen Liebe, wie erwachsene Menschen es eben so tun.

Und doch … Auch, wenn ich mir anfangs jeden Gedanken an ihn verbot, so flüsterte meine Seele in all den Jahren immer wieder seinen Namen, erst ganz leise und verhalten, dann immer lauter, und wenn ich es auch nie über mich gebracht hätte, ihn direkt zu kontaktieren, ich wusste dank der sozialen Medien immer, wo er sich aufhielt und dass es ihm gut ging, mehr konnte ich mir für ihn eigentlich nicht wünschen.

„Was du am meisten liebst, das lass gehen … Wenn es dir bestimmt ist, wird es von allein zu dir zurückkehren“, so heißt es in dem schönen Sprichwort, doch ich hatte mich eigentlich damit abgefunden, dass man seine Zwillingsseele nur einmal im Leben trifft und gemeinhin keine zweite Chance bekommt … Aber vielleicht hatten wir unsere Lektion im Vermissen ja tatsächlich abgeschlossen, denn irgendeine Himmelsmacht ließ uns durch einen unglaublichen Zufall wieder zusammenfinden. Älter, reifer, aber nicht einen Funken weniger verrückt, und ohne die Notwendigkeit großer Erklärungen, sofort wieder die altvertraute Einheit, nur mit deutlich intensiverem Gefühl; der Erkenntnis, ein unglaubliches Geschenk bekommen zu haben … Und mit einem längst geplanten Urlaub seinerseits, der unverzüglich angetreten werden wollte und uns nun definitiv das Prädikat „fortgeschritten“ aufetikettiert, *seufz*

EdelweißUnd wenn ich mir in einer dieser Nächte jetzt die alten Briefe durchlese, dann bleibe ich an Zitaten wie diesem hier hängen, spüre das selbe Sehnen wie damals im Herzen, fühle mich verstanden wie von keinem Menschen vor und nach ihm und stelle fest, dass ich in punkto Vermissen bitte nicht auch noch „Experten-Status“ erreichen muss:

„Du bist wie eine Blume, die an einer steilen Felswand wächst, bei kaltem Winterwind … Eine Blume, die sich nach Wärme sehnt, und sei es die Wärme einer rauen, manchmal ungeschickten Wandererhand.“

Und ich möchte diese raue, manchmal ungeschickte Wandererhand bitte nicht mehr loslassen.

Bildquellen: Francesco Hayez, „Der Kuss“, 1859

https://www.pinterest.de/pin/446137906809071743/ (Edelweiß)

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Umschlungen

Die Seele umschlungen

Doch niemals erstickt

Die Hand, die mich festhält

Und doch nicht erdrückt

Zwei freie Geister

Im Herzen vereint

Die Welt ist versunken

Und nichts, wie es scheint.

soulmates

Bildquelle: https://people.desktopnexus.com/wallpaper/1080091/

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You say it best (when you say nothing at all)

 

I love youFragt man Freund Google, warum es manchmal so unendlich schwierig ist, die „magischen drei Worte“ auszusprechen, kann man sich unverzüglich durch über 7.530.000 Ergebnisse klicken und zum eigenen Trost feststellen, dass es den wenigsten von uns gegeben ist, das gewichtige „Ich liebe dich“ einfach so über die Lippen zu bringen … Und vielleicht liegt das nicht so sehr daran, dass unsere heutige Generation ohnehin von Haus aus schlicht beziehungsunfähig sein soll, sondern tatsächlich in der Gegensätzlichkeit an sich, etwas Gewichtiges ganz leicht klingen zu lassen, die ernsthafte Tiefe eines Gefühls ganz unbeschwert hervorzubringen, und das am besten noch im rechten Augenblick, auf dass man sich ein Leben lang gerührt daran erinnern möge, wie in einem Kinofilm 🙂

Ich selbst gehöre zu den Menschen, denen sich bei solchen Hollywood-Momenten sämtliche Härchen aufstellen und die gerührt zu schluchzen anfangen, allerdings nur, solange ich mich in der Sicherheit des heimischen Sofas oder eines Kinosessels wähne, möglichst weit weg vom Leinwand-Geschehen und niemandem verantwortlich als meinen kleinen Träumen.

Im wahren Leben habe ich mich immer schwer getan, und das aus einer ganzen Ansammlung von Gründen, die sicher nicht nur mir schon einmal durch den Kopf gegangen sind. Mag die Liebe an sich auch ein unbeschwertes Gefühl sein – „Ich liebe dich“, das ist für mich  nichts, das einfach so dahingesagt gehört, nur, weil die Beziehung schon eine gewisse Zeit überdauert hat und es halt einfach irgendwann erwartet wird. „Ich liebe dich“ darf nicht zum inflationären Statement verkommen – es transportiert für mich eine Ernsthaftigkeit, die ich erst dann aufbringen kann, wenn ich mir im tiefsten Inneren hundertprozentig sicher bin, dass ich mir mit meinem Gegenüber tatsächlich eine langfristige Zukunft vorstellen kann, und das ist nicht an der bisherigen Dauer der Beziehung zu messen, sondern wirklich eine Frage des Bauchgefühls. Ist sich die innere Stimme nicht sicher, bleibt es bei einem „Ich hab dich lieb“.

Beim Überfliegen der Beiträge bei Google  lässt sich schnell feststellen, dass die berühmten drei Worte für viele etwas sehr Endgültiges transportieren, wenn auch nicht direkt im apokalyptischen Sinne („Bis dass der Tod uns scheidet“ birgt da noch deutlich mehr Adrenalin!), aber doch eine gewisse Verbindlichkeit einleitend und mit sich bringend, und auch das ist etwas, das in der heutigen Zeit durchaus Angst zu machen vermag. Verbindlichkeit … Woher will ich wissen, dass ich es morgen noch genauso meine, wie ich es heute sage? Kann ich nicht, aber wenn ich zu große Zweifel habe oder es mir nicht einmal vorstellen kann, ist der richtige Zeitpunkt vermutlich noch nicht gekommen. Aber wann ist er denn, dieser richtige Zeitpunkt? Woher weiß ich es? Ich glaube, es ist dieser Moment, in dem ein „Ich liebe dich“ zum absolut drängenden Bedürfnis wird, in dem man nicht länger fürchtet, damit die eigene Seele zu verkaufen, sondern vielmehr mit der des Partners zusammenzuwachsen und eine Einheit zu bilden. Die Möglichkeiten der körperlichen Nähe und Vereinigung sind irgendwann mal ausgeschöpft, dann kommt das Sehnen, GANZ EINS zu sein. Und dann liegt man da und blickt sich in die Augen, voll Rührung und Liebe und Gefühl, und das Herz rast, und man nimmt all seinen Mut zusammen, öffnet den Mund … Schnappt einmal wie ein Fisch auf dem Trockenen und sagt dann doch nichts, zumindest war das ich in meiner Paraderolle, bei den paar wenigen Gelegenheiten, an denen ich dem Bauchgefühl nach soweit gewesen wäre. Vielleicht nicht der Zweifel am eigenen Gefühl, aber doch die Furcht vor Zurückweisung, die Angst, eine Grenze zu überschreiten, den anderen in die Enge zu treiben … Aaaah, zu viele verwirrende Gedanken, und schon ist der Moment vorbei, man grübelt lieber weiter, kreiert im Kopf absonderliche Dialoge und traut sich beim nächsten Mal wieder nicht, ganz gleich, wie viel Wärme und Offenheit man im Blick des Gegenübers sieht … Und es ist einem nicht geholfen, wenn beide Partner gleichermaßen scheu sind und verkopft und beide nicht auf den Mund aufkriegen, wohl zum liebevollen Kuss, nicht aber zum Ritterschlag der Liebesschwüre! 😉

Andererseit … BRAUCHT man sie überhaupt, die magischen drei Worte? MUSS man explizit „Ich liebe dich“ sagen, um sich das Fortgeschrittenen-Level zu verdienen?

Eine sehr kluge Frau, die sowohl den Mann meines Herzens als auch mich recht gut kennt, hat mich einmal in ihrer üblich pragmatischen Weise über meinen Jammer hinwegzutrösten versucht. Sie erklärte, jeder, der ein Restaurant betritt (wir saßen gerade zusammen beim Abendessen), sieht sofort, aha, da steht ein Tisch. Er steht da, man nimmt ihn wahr, man setzt sich hin, man schätzt ihn, aber man spricht nicht über ihn, er darf einfach unkommentiert stehen bleiben und wird trotz allem von jedem der Gäste einwandfrei als Tisch erkannt. Ähnlich sähe es aus, wenn man den Herzensmann und mich zusammen sähe. Keiner müsste da was hinterfragen, jeder wüsste sofort, dass wir zusammengehören, auch, wenn uns nicht Lohengrins Brautchor vorauseilen würde, es wäre halt einfach selbstverständlich und schön … Und wenn das jedem anderen auf den ersten Blick klar sein würde, dürfte ich doch keine Zweifel haben, dass das, was uns verbindet, offensichtlich LIEBE ist, auch, wenn wir es ähnlich unkommentiert ließen wie eben den Tisch in der Gaststube.

Vielleicht war ich damals zu unreif, vielleicht zu analytisch, vielleicht war es nicht der richtige Moment … Ich hatte das Gefühl, am Ungesagten zu ersticken, und es mussten erst einige Jahre vergehen, ehe mein geliebter Seelengefährte und ich uns wiederfinden durften. Mir war in dieser langen Zeit klar geworden, dass es tausend Arten gibt, „Ich liebe dich“ zu sagen, dass es nicht darum geht, das Licht zu dimmen, Barry Manilow (mindestens! ;-)) aufzulegen, verklärten Blicks die Hände des anderen zu nehmen und Hollywood zu inszenieren … Sondern dass ein „Pass auf dich auf“ schon alles sagen kann, die sichere Führung einer festen Hand durch unebenes Gelände (oder in städtischen Baustellen, munter querfeldein!), die Geborgenheit einer innigen Umarmung oder ein nach dem Abschied verschicktes „Ich rieche nach dir“ 🙂 Und vielleicht braucht es tatsächlich manchmal ein bisschen Zeit und ein paar Erfahrungen mehr, um offen auszusprechen, dass man wohl schon wollen würde und auch das Bedürfnis hätte, sich aber einfach schwer tut mit den klassischen drei Worten … Vielleicht auch einfach, weil einen die Gefühle komplett schachmatt setzen würden, spräche man es aus und lauschte dem Echo, das möglicherweise wie ein Boomerang ins eigene Herz zurückschnellen und einen mit der Wucht der eigenen Liebe schlicht erschlagen würde (meine liebste Theorie!). Aber man kann darüber reden und etwas für sich finden, das nur einem allein gehört, ein Code, den man auch in der Öffentlichkeit nutzen kann, ohne gleich ein allzu verzücktes Publikum anzuziehen … Wenn ich ihm zuraune „Du weißt schon“, und er flüstert, „Du weißt ja auch“, dann bin ich sicher, wir sind angekommen; und viel mehr als „Ich liebe dich“ zählen die Momente, in denen uns beiden bewusst wird, dass keine Worte der Welt auch nur annährend beschreiben können, was in unseren Herzen vor sich geht, auch, wenn dieses Zitat hier nah ´rankommt …

„Wenn man sich in die Augen sieht

kann’s sein, dass schon ein Wunder g´schieht.

Du fühlst, wenn Liebe dich erfüllt

wie dich die Wärme sanft umhüllt.

Ein Blick, ein Lachen, eine Hand

die zart den Weg zu deiner fand.

Und Dankbarkeit, die langsam reift

für das, was man nicht mehr begreift.“ ❤

(„Leben“, Oswald Sattler)

Oder, wie Ronan Keating es so wundervoll zusammenfasst: „You say it best when you say nothing at all“!

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Tinted in, eternally

Took your painting off the wall

Put my head against its frame

Stroke the canvas like your skin

Clung to it as though `twas you

All your being in these colours

All your soul in every stroke

All that you are

All that you love

And everything you feel for me

Love tinted in, eternally.

358032

Bildquelle: https://wall.alphacoders.com/big.php?i=358032

 

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Wenn alles gesagt ist

Doch man will noch nicht gehen

Wenn Blicke sich suchen

Und man bleibt einfach stehen

Wenn Worte berühren

Wo Hände nichts spüren

Und Augen verzweifelt Erfüllung erflehen

Wenn Momente ewig bleiben

Doch Stunden mit dem Wind verwehen

Dann reicht man sich formell die Hand

Und man sagt „Auf Wiedersehen“.

silent conversation

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Umarmung für den Heimweg

zitat-eine-umarmung-ist-ein-ideales-geschenk-die-grosze-paszt-jedem-und-niemand-hat-etwas-dagegen-hugo-ball-178695Mein völliger Mangel an Orientierung, gepaart mit dem absoluten Unvermögen, einen Stadtplan zu lesen oder ein Navi für Fußgänger zu bedienen, ohne mich in der komplett entgegengesetzten Himmelsrichtung wiederzufinden, macht es bei Aufenthalten in fremden Städten unabdingbar, zwischen Terminen ausreichend Zeit einzuplanen, in der ich mich unbeschwert und nach Herzenslust verlaufen, falsche Busse und Bahnen besteigen und harmlose Mitmenschen durch konfuse Fragerei zum Wahnsinn treiben kann … Und wer einmal mit mir unterwegs war, weiß, das ist nicht übertrieben 😉
So hatte ich am letzten Sonntag für den Fußmarsch von meinem Wuppertaler Seminarort zum entsprechenden Stadtteil-Bahnhof auch direkt zwei Stunden eingeplant und war mehr als gelinde überrascht, das ungastliche Ungetüm sofort im ersten Anlauf zu finden, was wohl den liebevollen Instruktionen meiner Kollegin zu verdanken war. So stand ich dann in einer riesigen, vollkommen menschenleeren Halle, die in ihrem Jugendstil an den Typ Kirche denken ließ, den man gemeinhin als „Seelengarage“ bezeichnet, fror bereits nach zwei Minuten fürchterlich und aalte mich für einen kurzen Moment in Selbstmitleid und den Gedanken an das „Mädchen mit den Schwefelhölzern“. Es zog wie Hechtsuppe, der Wind pfiff wirklich durch jede Ritze, meine Hände wurden klamm, und ich dankte dem Herrn für die unterwegs so oft verfluchte, sperrige Yoga-Matte, die mir nun als Unterlage gute Dienste leistete und mich beim Sitzen auf einer unwirtlichen Holzbank vor einem Blaseninfekt schützte. Während ich da so hockte und versuchte, trotz der erbärmlichen Kälte nicht ungeduldig zu werden, fragte ich mich, welcher Sinn wohl dahinterstecken möge, dass ich es diesmal nicht nur pünktlich an mein Ziel geschafft hatte, sondern auch noch so überdeutlich zu früh … Dass nichts im Leben ohne Grund geschieht, daran glaube ich ganz fest, doch warum war ich nun hier und ließ mich vom träge dahin kriechenden Zeiger der Bahnhofsuhr hypnotisieren? Ich kauerte mich in meine Ecke, beschwor die warmen Erinnerungen an ein bereicherndes Seminar mit wundervollen Menschen herauf, das gerade hinter mir lag, und fühlte mich plötzlich ein kleines bisschen einsam. Bahnhöfe haben, wie Flughäfen, ein eigentümliches Flair – man ist nicht hüben und nicht drüben, schon abgereist, aber noch nicht am Ziel, total auf sich selbst zurück geworfen, irgendwie zwischen zwei Welten.
„Entschuldigen Sie bitte …“ Eine dünne, schüchterne Stimme schreckte mich aus meinen Gedanken, und ich kehrte zurück in die Wirklichkeit. Vor mir stand ein zitterndes und offensichtlich reichlich verstörtes kleines Mütterchen und sah mich hilfesuchend an. „Kann ich etwas für Sie tun?“ Ich setzte mich auf. „Ist Ihnen etwas passiert?“ Die alte Dame wirkte furchtbar erschrocken, und ich war alarmiert. Sie hielt mir etwas ins Gesicht, das ich nicht identifizieren konnte, weil sie den Daumen darauf hielt und aufgeregt mit der Hand fuchtelte, aber es sah aus wie ein Ausweis. „Mir ist etwas passiert, mir ist etwas passiert …“ Sie rang nach Worten und war sichtlich beschämt. „Was denn?“ fragte ich und bemühte mich um einen ruhigen Ton. So aufgebracht, wie sie war, bekam sie kein vernünftiges Wort heraus. „Mein Geld, ich habe mein Geld vergessen!“ stammelte sie und zeigte mir abermals, was sie in der Hand hielt. „Hier, mein Ticket, aber ich brauche eine Zusatzfahrkarte, wenn ich zurück nach Hause will!“ „Wo ist denn ‚zuhause‘“? erkundigte ich mich und besah mir ihr Seniorenticket. „In Düsseldorf.“ antwortete sie niedergeschlagen. „Können Sie mir helfen? Ich schäme mich so sehr … Manchmal bin ich so verwirrt …“ Ich lächelte sie an und zwinkerte. „Es gibt doch keinen Grund, sich zu schämen, Sie glauben nicht, was ich schon alles vergessen habe … Was brauchen Sie denn für das Ticket?“ Das Mütterchen nannte scheu den Betrag, ich drückte ihr einen Schein in die Hand und ließ parallel dazu einen Wortschwall los in Sachen eigene Verpeiltheit, um ihr ein wenig die Beklommenheit zu nehmen. Wie viel Mut muss es kosten, einen wildfremden Menschen um Geld zu bitten? Sie hatte meinen allerhöchsten Respekt … Und mit der Vorstellung, diese abgehärmte alte Frau Stunde um Stunde in diesem entsetzlich frostigen Bahnhof sitzen zu sehen, ohne die Möglichkeit, nach Hause zu kommen, wollte ich mich gar nicht näher beschäftigen … Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, und schon kriege ich Gänsehaut. Die Dame, die sehr zierlich war und aussah, als würde der kleinste Windhauch sie umwehen, nahm meine Hand und hielt sie sehr fest. „Danke.“ flüsterte. „Nichts zu danken!“ gab ich zurück und erwiderte ihren Händedruck. Und dann geschah etwas sehr Erstaunliches … So zart und winzig, wie sie war, nahm sie mich plötzlich in ihre Arme, und so, wie sie mich hielt und drückte, hätte ich schwören können, sie sei zwei Meter groß und kräftig wie ein Bär. Ich drückte sie ebenfalls und fühlte mich für einen Augenblick ganz wunderbar gut aufgehoben und geborgen … Wir lächelten uns an und schieden wie zwei Freundinnen, die alte Frau aus Düsseldorf und ich. Ich sah ihr nach, wie sie in Richtung Ticketautomat verschwand, und begriff mit einem Mal zwei Dinge – nichts auf dieser Welt geschieht jemals ohne Grund, vermutlich sollten wir uns treffen. Und: als ich mich so einsam und mutlos gefühlt hatte, war es genau diese Umarmung, die ich brauchte, vermutlich viel dringender als sie das Geld für die Karte. Mir fiel etwas ein, das ein Freund von mir einmal gesagt hatte, um jemanden zu trösten, der sehr verzweifelt war: „Du bist nicht alleine, und wir bringen uns alle gegenseitig nach Hause.“ Auch mich hat vor einer Weile an meinem größten Tiefpunkt ein ganz besonderer Jemand „nach Hause“ gebracht, vielleicht war nun einfach der Zeitpunkt gekommen, diese Gabe weiterzureichen.
Was ICH auf jeden Fall auf meine Fahrt zurück nach Ludwigshafen mitnahm, war eine der schönsten und ehrlichsten Umarmungen der Welt, eine Umarmung, die in mir nachklingt wie der Ton einer Stimmgabel und mich daran erinnert, wann immer ich vergessen sollte … Wir bringen uns alle gegenseitig nach Hause 🙂

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Ein Schutzengel zu Weihnachten

michaelWie so viele andere habe auch mich gestern noch einmal ins Getümmel gestürzt, um letzte Besorgungen für Weihnachten zu tätigen. Nach zweistündiger Schlacht fand ich mich an der Haltestelle wieder und wartete mit vielen anderen vollbepackten Seelen auf eine Straßenbahn, die uns nach Hause bringen sollte. Ich beobachtete die Menschen um mich herum – müde, gestresst, mit von den Tüten schmerzenden Armen, leicht verschwitzt, panisch und gar nicht so fröhlich, wie man es einen Tag vor Heiligabend erwartet hätte. Neben mir stand eine Dame in der Arbeitsuniform der RNV, sie erzählte leise in ihr Handy, dass dies jetzt ihre letzte Schicht für dieses Jahr sei und sie sich auf die Feiertage freue. Sie strahlte eine angenehme Ruhe aus und stand dort an den Schienen wie eine rettende Insel. Ihr Telefon meldete sich erneut mit einem Piepsen, und sie öffnete ein Video auf Whatsapp. Das Handy war so laut eingestellt, dass jeder um sie herum bequem mithören konnte, und bin ich für gewöhnlich kein echter Freund solcher Zwangsbeglückung, hörte ich diesmal genau zu. „Mein Wunsch für Weihnachten …“ quäkte eine metallische Kinderstimme launig „… Ist ein Schutzengel für jeden, der diese Nachricht hört.“ So roboterhaft das Ganze auch rüberkam, ich musste schlucken. Alle Umstehenden hatten es gehört, und für einen Augenblick war es so still wie in der Kirche. Jeder fühlte sich angesprochen. Die Straßenbahn fuhr ein, die Dame von der RNV lächelte, steckte das Telefon weg und stieg in das Führerhäuschen, um ihren Kollegen abzulösen.
Für mich war das ein wirklich magischer Moment, ein Augenblick, der die Essenz dieser heiligen Tage ganz wunderbar und modern transportierte … Da standen wir alle, ein bunt gemischter Trupp aller Altersklassen, Glaubensrichtungen und Nationen, und lauschten der Stimme aus einem Handy, die uns allen einen Engel an die Seite wünschte.
Und diesen Wünschen schließe ich mich an … Euch allen von Herzen ein Frohes Fest, gesegnete und besinnliche Feiertage und ausreichend Ruhe und Zeit, den Engeln in Eurem Leben ein bisschen Raum zu geben. Fröhliche Weihnachten!

Bildquelle: Erzengel Michael by Corey Wolfe

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Wotans wilde Jagd

Aasgaardreien_peter_nicolai_arbo_mindreImmer kurz vor Weihnachten, wenn man sich von den Kollegen oder Freunden in die Feiertage verabschiedet, kommt die altbewährte Frage, was man denn „zwischen den Jahren“ so machen würde. „Zwischen den Jahren“, das war für mich immer ähnlich schwer zu greifen wie die kurzen Zonen zwischen den Zollstationen zweier Länder, diese kleinen Stücke Niemandsland … Nirgends wirklich zugehörig und doch unverkennbar da. Wenn man sich überlegt, worauf dieser Ausdruck „zwischen den Jahren“ zurückzuführen ist, ergibt das dann schon wieder Sinn – wir berechnen unseren Kalender nach dem Mond und kommen mit dieser Kalkulation nur auf 354 Tage; um das Sonnenjahr aber mit seinen 365 vollzumachen, müssen die fehlenden 11 Tage irgendwo „eingeschoben“ werden … Und weil es diese Tage laut willkürlicher Zeitrechnung gar nicht geben dürfte, wird ihnen eine ganz besondere mythologische Bedeutung beigemessen. Es wird angenommen, dass für diese nicht offiziellen Tage die üblichen physischen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft gesetzt werden und die Schleier zwischen den Welten – unserem materiell fassbaren Diesseits und dem feinstofflichen Jenseits – so dünn sind, dass es ein Leichtes ist, von der einen in die andere Welt hinüber zu wandern … Und viele bis weit ins Mittelalter zurückreichende Brauchtümer zeigen uns bis heute, dass es besonders die Geister von der anderen Seite sind, die gerne zu uns herüberkommen und dort ihren Schabernack treiben. In vielen Regionen Europas werden die 12 Nächte, die diese Zeit zwischen den Jahren begleiten, als „Rauhnächte“ bezeichnet, ein Begriff, der auf zwei verschiedene Bedeutungen zurückgeht – das mittelhochdeutsche Wort „rûch“ bedeutet „haarig, pelzig“ … Und es waren tatsächlich die haarigen und pelzigen Dämonen, die als ungebetene Gäste auf unsere Seite herüberkamen, um die Menschen zu ärgern und sie in Angst und Schrecken zu versetzen. Um diese Geister auszutreiben – allen voran Wotan mit seiner wilden Jagd von Hexen und anderem kreischenden Gelichter – wurde geböllert und gelärmt, was das Zeug hielt … Übrigens auch der Grund, warum wir bis heute an Silvester Raketen in den Himmel schießen. Eine andere Deutungsmöglichkeit geht auf den „Rauch“ zurück, denn eine weitere Methode, sich Wotan & Gesellen vom Leibe zu halten, war das systematische Ausräuchern von Stallungen (auch das Vieh war gefährdet!) und Häusern … Ein Brauch, der sich in einigen Gegenden, wie z.B. dem Allgäu, bis heute gehalten hat, was ich übrigens sehr schön finde. Es gibt eine große Vielzahl an Dingen, die man zwischen den Jahren unterlassen sollte, um die Aufmerksamkeit der tollenden Dämonen nicht unnötig auf sich zu lenken – so sollte man zwischen den Jahren keine weiße Wäsche draußen auf der Leine hängen lassen, da sonst Wotans wilde Jagd zwischen die Laken fährt, im besten Falle nur ein bisschen Unfug damit treibt, im worst case allerdings ein schickes Leichentuch für den Besitzer daraus bastelt … Ein Risiko, das sich durch Nutzung eines Trockners heute bequem minimieren lässt. In alten Zeiten haben junge, unverheiratete Frauen die Rauhnächte dazu genutzt, sich an Kreuzwege oder andere magische Orte zu stellen und darauf zu warten, dass ein feinstoffliches Abbild ihres Zukünftigen an ihnen vorüberstreifen möge … Allerdings durften sie diese Erscheinungen nicht ansprechen und ihnen auch nicht nachsehen, da dies ihren sicheren Tod bedeutet hätte. Die weniger romantisch angehauchten Bauern dieser Zeit nutzten die Weggabelungen ebenfalls, doch aus weit pragmatischeren Gründen – jede der 12 Rauhnächte ist eine Prognose für einen Monat im folgenden Jahr, und die wackeren Landwirte harrten dann auch 12 Nächte hintereinander auf ihrem Posten aus, um durch äußere Zeichen oder innere Eingebungen Wissenswertes über das Wetter, die Ernte und andere wichtige Geschehnisse des nächsten Jahres zu erfahren. Auch bei ihrem Rückzug war Vorsicht geboten – die Bauern drehten sich nicht um, sondern entfernten sich rückwärts von ihrer jeweiligen Kreuzung, um Wotan und seiner Schar (die sich natürlich auch dort im Hintergrund herumtrieben) nicht ins Gesicht zu sehen und ihnen somit anheimzufallen.
Nun wäre es doch schade, eine solche Gelegenheit nicht zu nutzen und nicht auch vielleicht umgekehrt einmal einen Besuch zu machen … Möglicherweise treiben die Geister ja so viel Schabernack, weil sie sich schlichtweg nur langweilen? Der dünne Schleier zwischen den Welten ermöglicht es uns in den Rauhnächten, das Orakel zu befragen und ein paar spannende Prognosen für das kommende Jahr zu treffen – übrigens ein Brauch, dem viele von uns ohnehin beim Bleigießen an Silvester frönen. Kartenspielen zwischen den Jahren wird von Wotan und seiner Offsiderin Frau Holle offenbar nicht allzu gern gesehen, von Kartenlegen hat allerdings niemand was gesagt 😉
Das schönste Brauchtum für mich persönlich – und ich denke, damit freunden sich auch weniger esoterisch angehauchte Gemüter oft an – ist das Aufschreiben der Träume, die während der Rauhnächte auftauchen. Es gibt zu dem Thema ganze Seminare und Webinare, im Fachhandel sind spezielle Bücher erhältlich, die Platz lassen zum Eintragen der Träume und auch gleich eine Deutung der Symbole mitliefern, aber letztendlich tut es auch das gute alte Tagebuch oder einfach ein Notizblock, der neben dem Bett parat liegt. Das Prozedere ist ganz einfach – eine Rauhnacht, ein Monat. Die meisten Berechnungen beginnen mit der Nacht vom 25. auf den 26.12., also der Nacht des ersten Weihnachtsfeiertages. Diese erste Rauhnacht entspricht dem Januar des Folgejahres – was sich in unseren Träumen manifestiert, wird sich also auch im ersten Monat des neuen Jahres einstellen. So wird weiter durchgezählt bis zu der Nacht auf den Dreikönigstag (06.01.), die dann dem Monat Dezember entspricht. In einigen Regionen weicht man von dieser Rechnung ab, fängt ab dem Tag der Wintersonnenwende (21.12.) an zu zählen und lässt die Feier- und Sonntage weg, damit es wieder aufgeht, das System bleibt aber dasselbe – eine Rauhnacht, ein Monat. Wer kein Lexikon besitzt, das die Traumsymbole erklärt, kann einfach im Internet gucken, meine persönliche Lieblingsseite ist der schweizerische „Traumdeuter“ (http://www.traumdeuter.ch/), der auch auf verschiedene kulturelle und spirituelle Deutungen explizit eingeht und eine viel detailliertere Deutung ermöglicht als so manches Handbuch. Ich wünsche Euch allen eine magische Zeit … Und träumt was Schönes!

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